Ungeachtet der neuen Unterrichtsmethoden von Geschichtslehrer Stefan G., aus Berlin-Spandau, bleiben die Schüler der Wertraud-Geber-Oberschule ein unorganisierter und kichernder Klassenverband: Tuschelnde Mädchen, die sich im hinteren Drittel des Klassenraums nebeneinander gesetzt haben, männliche Klassenclowns, die mehr oder weniger gute Witze reißen und die bei allen beliebten Sportler, die stolz mit ihren Ehrenurkunden prahlen. Für einen Außenstehenden ein dynamischer Raum, dessen genaue Abläufe jedoch verborgen bleiben.
Für Geschichtslehrer Stefan G. ist dieses Arbeitsumfeld Alltag. Seine neuen Unterrichtsmethoden, eine Vorgabe von ganz oben: Schüler sollen demnach bereits in jungen Jahren, auf die spätere Abteilungsarbeit, vorbereitet werden, was am ehesten durch häufige Gruppenarbeit erreicht werden soll. Wer nun die Wertraud-Geber-Oberschule gegoogelt hat, oder ein ortskundiger Spandauer ist, wird meine Einleitung direkt enttarnt haben. Stefan G., sein Arbeitgeber und seine Klasse existieren nicht, die Vorgabe der gemeinschaftlichen Gruppenarbeit jedoch schon.
Von Klassen in den Klassen
Mein Beispiel wähle ich aus einem ganz einfachen Grund. Eine Schulklasse bildet, wenn auch in abgeschwächter Form, das ab, was den durchschnittlichen Arbeitnehmer in seinem zukünftigen Berufsleben erwartet. Die Schule soll fürs Leben lehren, doch Kritik wird immer wieder geäußert.
Stern-Reporter Uli Hauser äußerte sich bereits 2012 zum Hauptproblem: Noten seien ein Bewertungskriterium, dem noch immer viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden würde. Auch wenn man Teile seiner Aussage durchaus kritisch sehen kann, wie zum Beispiel diese hier:
„Ich wüsste heute so gern so sehr viel mehr über Physik, aber unser Lehrer paukte in erster Linie Gehorsam.“(Quelle: http://www.stern.de/panorama/gesellschaft/kritik-am-bildungssystem-schule-ist-energieverschwendung-3763382.html)
Sicher ist ein Lehrer der ausschließlich auf Recht und Ordnung pocht keine geeignete Identifikationsfigur, doch hängt in diesem Zusammenhang auch viel mit der Klassendynamik zusammen. In etwa so, wie in unserem fiktiven Beispiel an der Oberschule Wertraud-Geber. Kein Lehrer kann drei wissbegierigen Schülern etwas vermitteln, wenn 17 andere nicht wirklich interessiert sind. Wobei ich mein Beispiel korrigieren muss: Zahlenmäßig stimmt es nämlich hinten und vorne nicht.
So kann eine Klasse schon mal bis zu 35 Schüler beherbergen. Ein extremer Kontrast im Hinblick auf den späteren Berufseinstieg. Geht der Trend hier doch zur besagten Kleingruppen-/Teamarbeit. Ein Konzept das auch auf große Klassen, zu Vorbereitungszwecken übertragbar ist? Man darf gespannt sein.
Eigene Erfahrungen
Wenn ich auf meine noch gar nicht lang zurückliegende Schulzeit blicke, sticht die Kleingruppenarbeit nur bedingt heraus. In meinem Abi-Abschluss-Jahrgang von 2013 konnten zu Beginn, im August 2010, drei elfte Klassen gebildet werden. Als ich meine Schule im März diesen Jahres besuchte, stellte ich erstaunt fest, dass bereits eine vierte Klasse eröffnet werden musste und auch die reinen Schülerzahlen darin stark anstiegen. Ein ehemaliger Lehrer berichtete mir, von quasi durchgehender Gruppenarbeit und verwies dabei auch auf den praktikabelen Aspekt, wonach Schüler in Kleingruppen besser zu unterrichten wären. Insofern es der Wirtschaft dient, sicherlich keine falsche Vorgehensweise, oder vielleicht doch?
Aufgabe der Individualität zugunsten des Teams?
Denn nach wie vor ist die berufliche Selbstverwirklichung ein großes Thema, was gerade die jüngere Generation prägt. Der Youtube-Boom, das beste Beispiel: Nachwuchsproduzenten schießen wie Pilze aus dem Boden und etablieren sich bereits in jungen Jahren als geschickte Marketingstrategen, die sich im Youtube-Marketing beweisen müssen. Wie passt diese künstlerische Form der Selbstdarstellung, die auch in den sozialen Netzwerken vielfach praktiziert wird, mit den neusten wirtschaftlichen Forderungen zusammen? Ein sehr komplexes Thema, dass in Zukunft sicher noch für Diskussionen sorgen wird.
Eines ist aber sicher: Ob die Schule wirklich auf das Leben danach vorbereitet, darf allgemein bezweifelt werden, zumindest solange das vorliegende System, bestehend aus überforderten Lehrkräften, verschiedenen, bundeslandabhängigen Vorgaben und starren Bewertungsrastern, das Klassenklima bestimmt.